Kunstverein Viernheim, bis 10.4.2016
Lichtgestalten von MIchael Schuster
Die welken Blätter von Platanen sammelt Michael Schuster sorgsam auf und trocknet sie. Sie bilden den Werkstoff seiner Kunst, aus ihnen schneidet er einzelne Figuren aus oder setzt aus Einzelteilen größere Bilder zusammen. Es entstehen somit sehr große Wandinstallationen aus mehreren hundert einzelnen Figuren, collagenhaft zusammengesetzte Einzelwerke und große Bilder, die aus mehreren einzelnen zusammengesetzt sind.
Sichtbare Zeit – vergänglich, zerbrechlich und kleinteilig
Die mehrteiligen Wandinstallationen setzen sich aus vielen scherenschnitthaft gearbeiteten Figuren zusammen. Das Gesamtbild überzieht mehrere Wände, es ist zunächst schwierig einen Anfang und ein Ende zu erkennen. Eigentlich wirkt es wie mehrere Kunstwerke, der Gesamtzusammenhang erschließt sich nicht sofort. Bei allen Figuren bleibt der Stiel des Blattes als Basis stehen, an ihm wird die Figur mittels eines Drahtes an der Wand befestigt und steht gleichsam in den Raum hinein. Das Geäst der Verzweigungen im Blatt bleibt ebenfalls als fragiles Gerüst erkennbar und sorgt für Stabilität.
Die Figuren wirken zerbrechlich, fast spröde, man merkt ihnen an, daß sie als Zeichen der Vergänglichkeit die ihnen innewohnende Zeit gespeichert haben. Das Hereinragen in den Raum nimmt ihnen von ihrer Flächigkeit und im Gesamtbild entsteht ein dynamisches Zusammenspiel aus Gruppen, eine Art Aufbäumen gegen ihre Natur. Das Blatt ist bereits abgefallen und verwelkt, die ausgeschnittene Figur belebt es neu und transformiert es in einen anderen Zusammenhang.
Lichtbilder – das Foto als Grundlage
Die Serie Lichtbilder fügt entweder einzelne Bilder zu einem Gesamtbild zusammen oder wird als Einzelbild gestaltet. In beiden Gestaltungsformen ist die Herkunft klar zu erkennen. Als Grundlage dienen Fotografien, die Michael Schuster aus einem privaten Album entnommen hat. Die Gestaltungsprinzipien von Hochdruckverfahren wie dem Linol- oder Holzschnitt finden hier ihre Anwendung: flächige Ausarbeitung mit Betonung des Hell-Dunkel-Kontrastes wird im Falle von Michael Schuster mit collagenhaften Elementen vermischt.
Was als Klassenfoto von 1968 zu erkennen ist, setzt sich aus 9 einzelnen Bildern zusammen. Je größer das Format des Bildes, desto detailreicher kann natürlich die Gestaltung sein. Aus dem Ursprungsbild in handlicher Form wird ein Gesamtbild von der Größe 160×220 cm. Dieser technische Blow-Up Effekt ist dafür verantwortlich, daß Michael Schuster seine Bildidee überhaupt umsetzen kann.
Die Reduktion des Dargestellten auf einzelne Figuren, schnappschußartige Posen und schattenrißtaugliche Motive funktionieren durch die Flächigkeit. Lediglich Schatten und in wenigen Fällen noch landschaftliche Elemente bzw. die perspektivische Staffelung von Figuren suggerieren eine Raumwirkung, sonst bleibt alles in seiner zweidimensionalen Vorprägung erhalten.
Poetische Wirkung
Die fehlende Ablenkung, die Fixierung auf Gesten und die Überschaubarkeit des Dargestellten fügen sich zu einer poetischen Wirkung zusammen. Klare Strukturen wohin man schaut, auch in den porträthaften Arbeiten von Michael Schuster. Er erzählt etwas mit seinen Blattwerken, kleine Geschichten, die sich aus einer alltäglichen Begebenheit entwickeln oder auch aus den fotografischen Vorlagen. Sehr außergewöhnlich, sehr sehenswert.
Michael Schuster, geb. 1963 in Mannheim, lebt und arbeitet in Berlin. 1988-1991 absolvierte er sein Kunststudium an der Freien Kunstakademie in Mannheim. Im Anschluß 1991-1995 Studium der Visuellen Kommunikation an der Fachhochschule für Gestaltung in Mannheim.
Gezeigt wird die Ausstellung in den Räumen des Kunsthauses, Rathausstr. 36
Do + Fr 15-18 Uhr, Sa 10-13 Uhr und nach Vereinbarung