…im Loslassen.“
Malerei und Zeichnung, Kunstverein Ladenburg, bis 15.4.2016
Die menschliche Gestalt, extrovertiert und wild, schüchtern und versonnen, nackt und damit überzeitlich entrückt, Tanz, Bewegung, Ausdruck: das ist die Bildwelt von Eberhard Bitter. Der Kunstverein Ladenburg zeigt expressive Zeichnungen und Gemälde des in Wuppertal lebenden Künstlers noch bis Mitte April in den Räumen des Lobdengau-Museums in Ladenburg. Das ausgewählte Spektrum an Arbeiten ist ein tiefblickender Querschnitt durch das Schaffen eines ausdrucksstarken Wilden.
Die Malerei von Eberhard Bitter
Schrundig nebeneinander stehende Pinselstriche bauen die Figur auf, die Oberflächen wirken oft wie grobe Faltungen. Sie verleihen den Figuren eine Unschärfe, die für dynamische Bewegung und flirrende Unruhe steht. Die Figuren agieren ausnahmslos in einem undefinierten Bildraum, die Spannung zwischen ihnen resultiert einerseits aus ihrer vorbestimmten Interaktion und andererseits aus der wechselseitigen Strukturierung in warmen und kalten Farben. Die Bildtitel unterstützen die Geschichte, die das Bild erzählt, aber es sind die Figuren, die durch ihr Leuchten und ihren expressiven Aufbau Wirkung erzielen.
In der Nahsicht verschwimmt besonders in der Bilderserie der Köpfe das Dargestellte zu einem nahezu abstrakten Bild. Der pastose Farbauftrag im wilden Nebeneinander der Farbflächen ist beeindruckend sowie scheinbar unstrukturiert, der Abstraktionsgrad ist enorm. In der Fernsicht setzt sich dagegen alles zusammen, es führt zu einer Belebung des Dargestellten durch einen vielschichtigen Aufbau vom Malgrund bis zur obersten Malschicht. Es sind keine Porträts, die Wiedererkennbarkeit ist also nicht von Bedeutung, umso freier und offener kann Eberhard Bitter seine Figuren und Köpfe gestalten.
Die Zeichnung – sinnlich und vibrierend
Auch die Zeichnungen von Eberhard Bitter sind malerisch, d.h. sie orientieren sich nicht an geschlossenen Flächen, sondern ganz nach dem Prinzip der Natur – wo es keine geraden Linien gibt – arbeitet Bitter mehr mit der Auflösung der Form: mehrfach nebeneinander gesetzte Striche beleben das Dargestellte und vermitteln Bewegung und Raum. Bleistift sowie Tusche für den feinlinigen, verästelt wirkenden Umriß und Acrylfarbe für die Flächen und für die Plastizität, die Zeichnungen sind spontan und unmittelbar, ganz in der expressionistischen Tradition der Viertelstundenakte der Brücke-Maler oder der Porträt-Zeichnung von Ludwig Meidner. Ihre Präsenz ist spürbar, in den Aktfiguren zeigt sich eine sinnliche Entrücktheit, eine innere Einkehr die sich durch tänzerische Bewegungen nach außen öffnet. Bei den Zeichnungen der Köpfe entsteht ein nervöses Vibrieren, oft auch durch eingedunkelte Flächen stark akzentuiert, eine innervierende Unruhe in Verbindung mit einem schüchtern wirkenden Schauen.
Torso – die Figur als Ausdrucksträger
Expressive Gestaltungsprinzipien wie Deformation, Übersteigerung, geistiger Gehalt im Ausdruck und eben auch die Torsierung der Gestalt finden sich auch bei Eberhard Bitter. Das bewußte Weglassen und der Wunsch nach Vereinfachung strukturieren die Bilder und konzentrieren den Blick auf die Figur und ihren Ausdruck. Sie ist sich genug, sie kann den Bildraum füllen und sie erzeugt das Spannungsfeld aus wildem Getriebensein und anmutiger Eleganz und Versunkenheit.
Eberhard Bitter, Jg. 1960, hat zunächst eine Ausbildung als Buchbinder gemacht, bevor er dann 1981-87 an der Fachhochschule Dortmund Malerei studierte. Seit 2008 hat er an der Hochschule Bochum einen Lehrauftrag für Freihandzeichnen.
Kunstverein Ladenburg, Ausstellungsräume im Lobdengau-Museum, Amtshof 1, Ladenburg
Mi + Sa 14-17 Uhr, So 11-17 Uhr