Spuren der Zeit – Patina des Lebens
Kunstverein Heidelberg, bis 11.6.2016
Uli Fischer – „Mein Job ist es Dinge in einen neuen Kontext zu stellen“
Wenn man die Ausstellungshalle des Heidelberger Kunstvereins betritt, taucht man unmittelbar in die Welt der großformatigen Bilder von Uli Fischer ein. Was zunächst aussieht wie Farbfeldmalerei, erweist sich bei näherem Hinsehen als Stoff- oder Gewebestücke, die zusam-mengesetzt, vernäht und bearbeitet worden sind. Auf der Homepage von Fischer erfährt man, warum er textile Materialien benutzt: „Die Stoffe, die ich für meine Arbeiten verwende, haben eines gemeinsam: sie stellen Zeit dar – Zeit durch Gebrauch und Tragen konserviert.“ Es soll somit ein neuer Kontext hergestellt werden, die Materialien werden aus ihrem ursprünglichen Gebrauchsumfeld herausgelöst und als Informationsträger in einen künstlerischen Gestaltungs-prozeß integriert.
Zeit, geographische Grenzen, Kulturen und Geschichte
Begibt man sich auf die Suche nach Einflüssen und Quellen aus denen die Kunst Uli Fischers schöpft, so stößt man in seiner Biographie schnell auf Hinweise. Er hat früh eine Ausbildung zum Strickmaschineneinrichter gemacht, später studierte er dann Textildesign in Hannover und Braunschweig. Als er in den frühen 80er Jahren in den USA lebt, verdient er sein Geld unter anderem als Kolorist. Wieder zurück in Deutschland arbeitet er am Theater und beim Film als Szenenbildner und Ausstatter. Lange vor seinem Schaffen als Bildender Künstler hat er also schon mit Stoffen zu tun und beschäftigt sich zudem mit der Farbfeldmalerei. In Asien lernt er dann in den 90er Jahren den Umgang mit gebrauchten, traditionellen Textilien. Die Einflüsse aus unterschiedlichen Kulturen prägen und inspirieren zugleich, er erlebt Zeit und Geschichte anhand farbiger textiler Strukturen und Oberflächen, was offensichtlich einen prägenden Einfluß auf ihn hat.
Material, Oberfläche, Farbe, Rhythmus
Es ist wie ein Erweckungserlebnis als er ein Fragment eines mit Indigo gefärbten Futons von 1920 in den Händen hält. Dieses Stück Stoff symbolisiert alles, wofür seine Kunst heute steht: die Haptik und Optik des Materials, die Struktur der Oberfläche und seine Farbigkeit. Das alles gibt den Rhythmus vor, er erstellt fortan die Trägermaterialien und die Rahmen seiner Bilder selbst und beschränkt sich auf die Auswahl gebrauchter Stoffe. In ihnen ist durch ihr Alter und ihren Gebrauchswert Geschichte einbeschrieben, die durch die Kombination einzelner Textilbahnen, durch die Bearbeitung sowie durch ihre farbige Wirkung in ein eigenwilliges Bezugssystem verwoben sind. Er näht zusammen, fügt hinzu, reißt auf und bewegt den Stoff durch Schlitze, Löcher und Risse. Es entstehen Wirkungen, Korrelationen und Spannungen. Das Prinzip des Zusammensetzens scheint bei Uli Fischer für größere Dimensionen vorbestimmt, in der Heidelberger Ausstellung sind hauptsächlich Großformate zu sehen.
Transforming past into future
Dieser Leitsatz von Uli Fischer, die Vergangenheit in die Zukunft zu übertragen, ist den Bildern mitgegeben. Er überführt die ehemaligen Gebrauchsgegenstände mit ihren sichtbaren Spuren in einem Kunstwerk dauerhaft wirkend in die Zukunft, er schafft aus Altem Neues, die Materialien seiner Werke finden eine andere Bestimmung. Besonders in den Oberflächenstrukturen kommt dies zum Ausdruck, hier belebt er den Bildgrund durch unterschiedlichste Bearbeitungsmethoden und -grade. Sein Gefühl für das Material ist ein besonderes. Fischer agiert einfühlsam, seine Handschrift offenbart ein tiefes Verständnis für seine textilen Ausgangsprodukte, die er sorgsam miteinander in Beziehung setzt.
Heidelberger Kunstverein, Hauptstr. 97, 69117 Heidelberg
Di, Mi, Fr 12-19 Uhr, So 15-22 Uhr, Sa + So 11-19 Uhr