Plastiken aus Terrakotta
Köpfe, Torsi und Figuren von Patricia Riveras
Das Atelier der aus Barcelona stammenden Künstlerin Patricia Riveras liegt im Süden Mallorcas in dem kleinen Küstenort Colonia Sant Jordi. Über die Uferpromenade gelangt man über eine Garage, die als Verkaufsraum dient, in einen Innenhof. Dort stellt sie nicht nur zahlreiche Arbeiten aus, dort arbeitet sie auch an ihren expressiven Werken – eindrucksvolle Plastiken aus Terrakotta.
Wir treffen Patricia Riveras und ihre Schwester Anabel in diesem Jahr bereits zum dritten Mal auf Mallorca – ein Nachmittag auf den wir uns immer sehr freuen. Zur sprachlichen Unterstützung ist immer auch ihre Schwester Anabel dabei, da Patricia nur spanisch, katalanisch und mallorquinisch spricht. In einem charmanten Kauderwelsch aus Englisch, Französisch, Deutsch und den mallorquinischen Sprachen gelingt es immer irgendwie die neuen Arbeiten und Projekte kennen zu lernen: mehr Europa geht also kaum.
Die Köpfe
Wenn man das Atelier betritt wird man sofort vom Ausdruck der expressiven Köpfe von Patricia Riveras gefangen genommen. Aufgesockelt auf korrodierendem Eisen stehen sie im Freien und trotzen der Sonne und dem Wind.
Es sind keine Porträts, Patricia Riveras schafft aus der Imagination heraus. Daher ist es oft schwer für sie zu erkennen, wann der Produktionsprozess abgeschlossen ist. Beinahe manisch kann sie sich an einem Stück festbeißen; an einem Kopf hat sie fast ein Jahr lang gearbeitet bis der Schaffensprozess für sie abgeschlossen war. Unzählige Anläufe und viel Geduld bedarf es, bevor das einzelne Stück in den Stand eines fertigen Kunstwerks erhoben wird. Die Ansprüche von Patricia Riveras sind hoch, an sich selbst und an ihre Werke. Das schließt nicht aus, dass ein Kopf in 30 Minuten fertig sein kann. Künstler müssen nicht immer ringen, bis der gewünschte Ausdruck erreicht ist.
Das künslerische Schaffen mit Terrakotta ist ein plastischer Prozess, es ist ein zufügendes, additives Arbeiten. Im Gegensatz zum skulpturalen Arbeiten, bei dem man Material wegnimmt, also subtraktiv schafft, kann man beim plastischen Arbeiten mit Gips oder Ton immer wieder korrigierend eingreifen. Terrakotta heißt wörtlich übersetzt gebrannte Erde. Es ist ein eisenhaltiger, roter oder kalkhaltiger, gelber und weißer Ton, dem auch noch andere Materialien beigemischt sein können. Er wird bei 900-1000 Grad gebrannt und ist danach witterungs- und frostbeständig.
Die älteren Arbeiten sind deutlich unterlebensgroß, bei den neueren Arbeiten finden sich fast lebensgroße und sehr viele leicht überlebensgroße Köpfe. An allen Arbeiten sind noch deutlich die Werkspuren zu sehen. Es lassen sich problemlos Fingerspuren identifizieren, die durch das Anpressen von kleinen Terrakottaklumpen entstanden sind, aber auch Spuren von Werkzeugen, die den Oberflächen eine Textur verleihen. Der Arbeitsprozess ist als sichtbare Struktur formgebend und bleibt als Gestaltungsprinzip immer erkennbar. Man sieht die handwerkliche Arbeit, die in jedem einzelnen Stück enthalten ist. Und man erkennt die hohe Individualisierung, obwohl es kein Abbild und kein bennennbares Modell gibt. Die Köpfe sind energetisch aufgeladen, ihre vibrierende Öberfläche, ihre Individualität und ihre einzigartige Farbigkeit machen sie zu echten, künstlerisch hochwertigen Unikaten.
Die Figuren
Neben den Köpfen schafft Patricia Riveras auch schmale, sehr fragil wirkende Ganzfiguren. Auch hier arbeitet sie in unterschiedlichen Größen, von sehr kleinen Figuren von kaum mehr als 10 cm Höhe bis hin zur überlebensgroßen, archaisch wirkenden Ganzfigur geht das Spektrum. Bei den Figuren wird mit starker Vereinfachung, mit kompakter Körperlichkeit, oft sehr flachen Seitenansichten gearbeitet, das gilt dann auch für das Haupt, das mehr als runde Masse erscheint und sehr viel weniger mit physiognomischen Einzelheiten ausgearbeitet ist.
Die Figuren wachsen von unten her schmal und amorph empor, ihr Leib erwacht langsam aus der tönernen Form und wirkt fast wie ein langgestreckter Sockel für das obenauf thronende Haupt: die männlichen Ganzfiguren in eher rundem Durchmesser, die Halb- oder Dreiviertelfigur oft in flacherem und breitem Körperbau. Bei den weiblichen Figuren sind es eher archaische Einflüsse, die den Körper aus signifikanten Strukturen einfach und reduziert in aufrecht schmaler Silhouette aufbauen. Die Oberflächen sind hier deutlich glatter als bei den männlichen Pendants oder bei den Köpfen.
Patricia Riveras ist eine Anhängerin von Medardo Rosso, einem italienisch-französischem Bildhauer des beginnenden 20. Jahrhunderts, der Figuren und Köpfe aus Wachs gebildet hat. Das Verfließen und Verbinden von Formen, das Auftauchen von Körperteilen aus dem formgebenden Material und das verschleifend-impressionistische Element seiner Kunst lässt sich vor allem in den Figuren erkennen, die Köpfe sprechen ganz klar die ausdrucksstarke Sprache der expressiven Kunst. Wer es zu Patricia Riveras ins Atelier schafft, wird es jedenfalls nicht bereuen.
Atelier: Colonia Sant Jordi, inzwischen befindet sich das Atelier rechts neben dem alten in einem Garagenraum (s. schwarzer Pfeil), an der Ecke Carrer Sol/Carrer na Pelada. Bald zieht Patricia Riveras aber einige Häuser weiter in der Carrer na Pelada, neben das Restaurant Cassai Beach House, das ebenfalls an der Uferpromenade liegt.
Auch im Urlaub fleissig… schöner Bericht !