Die andere Seite im wilhemhackmuseum Ludwigshafen
Noch bis zum 13. August stellt das wilhemhackmuseum den Illustrationen des Romans „Die andere Seite“ von Alfred Kubin von 1906 zeitgenössische Installationen, Videoarbeiten, Skulpturen, Zeichnungen und Gemälde von insgesamt acht Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland, Belgien, Österreich, Polen, Brasilien, Frankreich und Japan gegenüber.
Betritt man die Sonderausstellungsräume wird die Welt schwarz-weiß. Bis auf wenige Ausnahmen, folgt beinahe jeder der kuratierten Künstler der Farbgebung der Kubin-Werke.
In diesen sind meist dunkle, phantastische Gestalten in alptraumhaften Zuständen zu sehen. Er bebilderte damit ein utopisches Traumreich, das den Protagonisten des Romans in einem Netz von phantastischen Ereignissen und Visionen gefangen hält – diese Welt ist grotesk, surreal und ganz ohne Aussicht auf Licht am Ende des Tunnels.
Und das ist das zentrale Thema der gesamten Ausstellung: Die Suche nach einem Ausdruck für den Zustand zwischen Traum und Realität, Unterbewusstsein und Bewusstsein.
Das Hackmuseum macht sichtbar, dass in der Gegenwartskunst dieses Thema Anklang findet. Die ausgestellten Künstlerinnen und Künstler zeigen Traumhaftes wie Alptraumhaftes, Skurriles und Überraschendes, Verwirrendes und Bezauberndes. Da ist zum Beispiel die Blockhütte des fran-zösischen Künstlers Stéphane Thidet, in der es absurder- und auch erschreckenderweise dauer-regnet. Dem Haus wird seine eigentliche Funktion entzogen, nämlich Schutz und Geborgenheit zu bieten, und lässt einen schlechten Traum Realität werden.
In deutlich angenehmere Träume versetzt dagegen die Videoarbeit Night Time des belgischen Künstlers Hans Op de Beeck. Sich aneinanderreihende Aquarelle in schwarz-weiß zeigen bühnenbildartige Szenerien unterlegt mit meditativer Musik: Ein Ruderboot, das über einen Waldsee schippert, Nachtlandschaften hinter Fenstern, fallender Schnee im Wald, Fische in einem Aquarium oder ein Feuerwerk über dem offenen Meer. Die Bilder bewegen sich sanft, ziehen wie in Zeitlupe am Betrachter vorbei und lullen ein.
Traumhaft anmutig ist auch die Arbeit der in Berlin lebenden Japanerin Chiharu Shiota. Sie zeigt ein weit überlebensgroßes weißes Kleid, gefangen in einen Kasten aus schwarzen Wollfäden. Das Kleid wird auf diese Weise zu einem unnahbaren Objekt mit enormer grafischer Wirkung. Die schwarzen Wollfäden sind das Markenzeichen der Künstlerin. Hinter diesen lässt sie viele Alltagsgegenstände in ihrer gewohnten Sichtbarkeit verschwinden und will damit die großen Lebensthemen berühren: Verortung, Angst, Geburt und Tod. Das Kleid ist ein wichtiges Motiv in ihren Arbeiten. Es symbolisiert die „zweite Haut“ eines Menschen, die Erinnerung, seine Verbindung zur Außenwelt.
Gleich dahinter sind die Pigmentdrucke des Österreichers Markus Schinwald zu sehen. Dieser mischt gerade die Kunstwelt mit ungewöhnlichen Schöpfungen auf. Seine Arbeiten sind Ausdruck seiner Idee vom menschlichen Körper und seiner Kleidung als ein kulturelles Konstrukt. Die Ästhetik der Kleidung gerät in den Hintergrund und psychologische Aspekte treten hervor. Die Ausstellung zeigt vier klassische Porträts aus dem 19.Jahrhundert, bei denen er das Gesicht verfremdet. Haare und Stoffe verhüllen das, was ein Porträt ausmacht. Ohne Gesicht ist ein Porträt kein Porträt mehr. Das Unterbewusstsein macht sich breit und lässt den Betrachter durchaus fasziniert innehalten.
Daniel Roth, einziger in der Ausstellung vertretener Künstler aus Deutschland, hat einen ganzen Raum mit verschiedenen Objekten ausgestattet, die den Besucher auf unbewusste Weise in eine abstrakte Berglandschaft mit See und Kuh zu versetzen scheinen. Roths vielteilige Arbeiten haben generell eine erzählerische Komponente, in denen sich Realität und Fiktion überschneiden und vom Betrachter Vorstellungsvermögen verlangen.
Außerdem sind in der Ausstellung noch Arbeiten der Brasilianerin Henrique Oliveira, der Polin Dorora Jurczak und dem Österreicher Thomas Feuerstein zu sehen.