Francisco Klinger Carvalho, Jutta Grell
Myriam Holme, Herbert A. Jung, Susanne Lyner
Port25 – Raum für Gegenwartskunst
bis 20.8.2017
Die aktuelle Ausstellung im Port25 trägt den Titel „Schichtungen“, fünf Künstler aus unterschied-lichen Ländern und Generationen befassen sich mit diesem Thema. Es geht dabei um ein Neben- und Übereinander, um eine Dichtheit von Strukturen, um Ordnung, Anhäufung und zufälliges Kalkül. Die Kunstwerke sind Repräsentanten von persönlichen Ansätzen, sie entstehen ganz grundsätzlich aus malerischen Erwägungen und Umsetzungen, allerdings weniger im klassischen Sinne mit Pinsel, Farbe und Leinwand, sondern viel freier und individueller im Sinne einer verdichteten malerischen-installativen Objektkunst.
Der aus Brasilien stammende Francisco Klinger Carvalho nimmt Alltagsgegenstände aus der Umgebung des Ausstellungsortes und arrangiert diese bildhaft. Er umschließt sein Arrangement mit einem käfigartigen Zaun aus Dachlatten. Dieser greift hier die Form eines Schiffes auf, für die Aufbauten des Hecks muss dabei der eingezäunte Aufzugsschacht des Port25 herhalten, um den herum sich auch noch Musikinstrumente, Möbel und ein Fahrrad gruppieren. Die Gegenstände sind alles Leihgaben aus dem Mannheimer Jungbusch, von der Palme eines italienischen Restaurants bis hin zum kleinen Modell der Waschanlage der ARAL-Tankstelle nebenan. Klinger Carvalho sammelt alles auf und arrangiert es als Spiegelbild der Umgebung bzw. der Gesellschaft vor Ort. Der Mannheimer Hafen, das kulturelle Leben im Jungbusch und die taktgebende Alltagsstruktur des Stadtteils werden an den einzelnen Objekten und eben auch in der Gesamtschau sicht- und fühlbar. Das Gatter ist aber auch eine Grenze, die alles zusammenhält und abschottet. Die Installation ist somit ein konstruierter Mikrokosmos, der klar verortet und verwurzelt ist.
Das Zusammenwirken von Gegensätzen, von Oberflächenwirkungen, von Zweidimensionalem, das sich dann dreidimensional in den Raum erstreckt, sind wichtige Eckpunkte in den Arbeiten von Myriam Holme. Sie bringt dabei unterschiedliche Materialien zusammen und entwickelt aus malerischen Standpunkten heraus dreidimensionale Objekte. Ihrem Verständnis nach ist sie eher Malerin als Bildhauerin und ihre im Port25 gezeigten Arbeiten sind wie ein Beweis für ihr künst-lerisches Selbstverständnis. Die Leinwandarbeiten sind mit Schichten von flüssiger Seife bedeckt, ein eigenwilliges Spiel aus Zufall und Kalkül, aus ineinanderfließenden Formen und Farben, aus mechanischer Bearbeitung und chemischen Prozessen lässt die Bilder zu sehr persönlichen Zeugen der Kunst Holmes werden.
Es bedarf viel Erfahrung und auch viel Zuversicht, um das zu erreichen, was zur Zeit an den Wänden des Port25 zu sehen ist. Nichts lässt sich wiederholen, alles wird immer anders aussehen, als das was vorher entstanden ist. Aber gerade deshalb erwächst aus diesem Alleinstellungsmerkmal ein verbindendes Element, es ist wie ein persönlicher Fingerabdruck, ein einzigartiges Unikat, dem von Holme auch gerne noch auf die Sprünge geholfen wird. Sie kratzt, schabt und werkelt an den festgewordenen Oberflächen, sie lässt linienhaft Tinte einfließen, um Muster und Strukturen entstehen zu lassen und sie spielt tänzerisch mit ihren Fingerkuppen auf der zerbrechlichen Oberfläche und drückt kleine Vertiefungen hinein, deren Umrisse durch linienhafte Sprünge des Materials sich sensibel abzeichnen. Das Malen und Zeichnen wird bei Myriam Holme zu einem zufällig strukturiertem Ablauf, der sich sinnlich und feinlinig ineinanderfügt.
Ausgangspunkt für die Leinwandarbeiten von Jutta Grell sind riesige Papierfahnen, die sie 1991 für eine Karlsruher Ausstellung geschaffen hat. Aus diesen 10 Meter langen, beidseitig bearbeiteten Fahnen nimmt sie für ihre Leinwandarbeiten einzelne Partien heraus und fixiert diese auf Leinwand. Die Vorderseite bilden nun Figuren, die aus einzelnen Segmenten aufgebaut sind. Diese wurden von Jutta Grell aus Blättern herausgerissen und zusammengesetzt. Sichtbar ist nicht nur die eine Seite der ursprünglichen Fahne, die andere scheint immer noch durch das Trägermaterial hindurch. Schemenhafte, sehr flache Umrisse sind immer noch zu erkennen. es ist zum einen eine zeitliche Schichtung, da aus Altem Neues entsteht und es ist eine Schichtung von Bildebenen, von Vorder- und Rück-seiten, von neuen und von alten Bildträgern.
In ihren bearbeiteten Postkarten verbindet Grell ebenfalls verschiedene Ebenen. Trägermaterial sind die bildhaften Vorderseiten der Postkarten, in ihre Zeitzeugenschaft sind Muster und Figuren einge-arbeitet. Jutta Grell schneidet aus der Ober-fläche behutsam eine neue Figurenwelt heraus, in einer archaisch anmutenden Formensprache entsteht ein flächig-gestalteter neuer Lebensraum als Bild im Bild.
Die Werke der Schweizer Künstlerin Susanne Lyner sind eigentlich eher performativer Art. Sie trägt die Acrylfarbe nicht mit Hilfsmitteln wie Pinseln oder Bürsten auf, sie wirft die Farbe direkt aus kleinen Flaschen auf oder über Flächen und Objekte. Fast spielerisch entstehen gespritzte Farblinien von ca. 1,5 m Länge, die angetrocknet ein übereinandergelegtes Gitter ergeben. Wie Tücher oder Teppiche wirken die Rasterstrukturen, sie können aber auch über geometrische Figuren verlaufen oder als kleiner bunter Farbderwisch als Wandobjekt enden. Aus den Anfangs- und Endstücken der Farblinien, die als Überreste ihre anderen Werke zurückbleiben, formt Susanne Lyner eigenständige kleine Figuren, die ein zotteliges und wildes Eigenleben führen.
Raumbestimmend ist ihre Arbeit „Immergleichanders“ im Port25 aufgehängt. Ein einziges Blatt Makulaturpapier von etwa 10 m Länge hängt über der Betonbalkenkonstruktion der Decke. Es ist eine Fleißarbeit der inneren Ruhe, ein Konzentrat von Natureindruck und stilisierter Wahrnehmung. Im gebirgigen Südengadin in eremitischer Ruhe innerhalb von zweieinhalb Monaten geschaffen, zeigt es kalendarisch die Farbstimmungen im Ablauf der Tage. Lyner legt ein langes Lineal an und zieht sorgsam und akkurat Linien mit Tuschestiften und zwar so lang wie sie stimmungsmäßig in der Lage ist an dieser Aufgabe zu arbeiten. Linie für Linie entsteht und bildet farblich Stimmungen der Umgebung und ihrer persönlichen Wahrnehmung als eine Art impressionistischer Strichcode ab.
In den Arbeiten von Herbert A. Jung zeigt sich ganz klar der Einfluss von Gerhard Richter. Jung macht keinen Hehl daraus, denn die Streifenbilder von Richter bilden oft den Hintergrund für seine farbigen informellen Malereien. Es sind Farbexperimente, die erst die Qualitätskontrolle des Künst-lers bestehen müssen, bevor die geschichteten und mit Rakeln flächenhaft verdichteten Strukturen ihre Serienreife erhalten. Selbst da, wo die Streifen von Richter nicht zu sehen sind, ist der Einfluss klar zu erkennen.
Der studierte Chemiker Jung zeigt sich vor allem in seinen Objekten, den rostigen Nägeln, die er dem Salzsäuredampf aussetzt und die im anschließenden Zersetzungsprozess an der Luft zerbrechlich gestapelt werden. Aus den ursprünglich kräftigen Stahlnägeln sind fragile Objekte der Vergäng-lichkeit geworden, ihr künstliches Altern ist ein Spiegelbild des Verfalls. Allerdings eines ästhetisch inszenierten Verfalls, denn so schön kann Altern sein…
Port25 – Raum für Gegenwartskunst, Hafenstr. 25-27, 68159 Mannheim
Di-So 12-18 Uhr, Do bis 21 Uhr
Eintritt frei