Gefangene Widerspenstigkeit
Noch bis zum 8. Dezember zeigt theuer + scherr in Mannheim die neuesten Arbeiten des Mannheimer Künstlers Alexander Horn. In 15 serienartig angelegten Gemälden platziert Horn die Figuren von Kindern aus der Zeit der frühen Schwarz-Weiß-Fotografie in abstrahierte, fiktive Räume der Jetztzeit und erzielt damit äußerst intensive Bildwirkungen.
Die meisten Figuren legt er en face an, so dass der Blick der Kinder unmittelbar den Betrachter trifft. Allen ist ein Ausdruck gemein: Widerspenstigkeit und Trotzigkeit. Es ist, als blicke man in die Seelen der Kinder, gefangen in Raum und Zeit, unverstanden von der Welt der Erwachsenen, deplatziert und verloren. Dieses Gefühl mutet besonders den Figuren an, die solitär angelegt sind. Sehr deutlich wird das im Bild mit dem Titel „I would prefer not to“: Wir sehen ein kleines Mädchen, das in lungernder Haltung trotz des Sonntagskleides mit Spitzenbesatz und Lackschuhen breitbeinig auf einem Stuhl sitzt, den linken Ellbogen halb durch die Rückenlehne geschoben. Haltung und Gesichtsausdruck erscheinen missmutig und widerwillig und stehen im Widerspruch zu den gescheitelten Locken und dem Ansinnen des Fotografen, ein schönes Abbild zu schaffen und für die Nachwelt zu erhalten. Der Ausdruck wird zusätzlich gesteigert durch ein Strichmännchenartiges Graffiti, das vier fröhlich winkende Kinder auf der Wand zeigt, vor der das Kind sitzt.
Horn setzt hier Figur und Fläche in ein Spannungsverhältnis, das neu ist in seinen Werken. In den vergangenen Jahren stand meist die Figur und ihr Ausdruck im Fokus, losgelöst von Raum oder Fläche und oft in extremen Nahansichten. In den jetzt gezeigten Arbeiten, die in wenigen Wochen entstanden sind, setzt er jede Figur in einen räumlichen Kontext und rückt sie ein wenig von sich weg. Mal legt er den Raum linearperspektivisch an, mal farbflächig, mal illustrativ. Und plötzlich wirken seine realistisch angelegten Figuren noch intensiver, so als würde der Raum den Ausdruck der inneren Vorgänge der Kinder verstärken. Auf den ersten Blick, ohne die Figuren zu genau betrachtet zu haben, denkt man vielleicht an Francis Bacon, der ebenfalls Figuren in einen fiktiven räumlichen Kontext gesetzt hat. Allerdings war es Bacons Ziel, Figuren darzustellen, ohne eine Geschichte erzählen zu wollen, er strebte nach der Transformation von Wirklichkeitserfahrungen. Bei Alexander Horn dagegen werden die Darstellung von Körper und Raum auf der Bildfläche zu einer Täuschung, einer Illusion. Man könnte meinen, man sähe Kinder, die auf ihren imaginären Zeitreisen eingefangen wurden. Verantwortlich für diese illusionistische Wirkung ist neben dem Ausdruck und der Raumwirkung auch Horns Vorgehensweise. Er bedient sich in der Serie sehr alter Fotovorlagen, die er verfremdet, umfärbt und den Figuren teils neue Attribute zuordnet und in einem meist linearperspektivischen Raum anordnet. Im Bild „Put a hole in the middle“ beispielsweise, hat er ein Mädchen und ein Junge in einem roten Ohrensessel platziert, die einen riesigen Kricketschläger vor sich halten. Im Bild „Hennoch“ sitzt ein verloren drein blickender Junge auf einem scherenschnittartig angelegten Schaukelpferd. Auf der Wand im Rücken des Jungen stehen kryptischen Zeichen in einem Dreierblock für eine bildhaft- symbolische Aneignung, bei der der Betrachter auf eine Erklärung des Künstlers angewiesen ist.
Alexander Horn arbeitet hier mit mehreren Verfahren, auf die heute in der Bildenden Kunst lieber verzichtet wird, weil es vielleicht nicht zeitgemäß erscheint. Die zeitgenössische figürliche Malerei versucht sich meist in Allansichten mit betont expressivem Ausdruck. Das Verborgene, Geheimnisvolle, Tragische bleibt unsichtbar. Nicht so bei Horn, in dessen Malerei genau das hervortritt, das in den Tiefen verborgen liegt und damit bleibt er sich auch mit dieser Serie konsequent treu.
www.alexanderhorn.net
Ausstellungsdauer vom 24. November bis 8. Dezember 2017
theuer+scherr
Friedrichsplatz 19
68165 Mannheim
fon 0621 1819909
Montag-Freitag 10-19 Uhr
Samstag 10-16 Uhr
info@theuerundscherr.de