„Wenn Tiger schießen lernen“
Zum ersten Mal wurde der renommierte Mannheimer Kunstpreis der Heinrich-Vetter-Stiftung, der alle zwei Jahre ausgelobt wird, an zwei Künstler vergeben: Der Hauptpreis ging an die in Mannheim lebende Künstlerin Ana Laibach und der Förderpreis an Amadeus Certa – ein junger Maler mit Mannheimer Wurzeln und Meisterschüler von Siegfried Anzinger an der Kunstakademie Düsseldorf.
Beide setzten sich gegen 70 weitere Mitbewerber durch. Teilnahmekriterien des Kunstpreises sind ein regionaler Bezug und eine professionelle Beschäftigung im Bereich der Bildenden Kunst über mindestens fünf Jahre – dazu zählen Ausstellungstätigkeiten und ein abgeschlossenes Studium der Bildenden Kunst.
Noch bis März sind beide Preisträger mit Arbeiten im Port 25, Raum für Gegenwartskunst in Mannheim zu sehen.
Der Hauptpreis: Ana Laibach
Das künstlerische Spektrum von Ana Laibach ist enorm. Sie kann Malerei, Zeichnung, Grafik, Keramik, Film, Fotografie und von keinem dieser Genres wird sie in ihre Grenzen gewiesen. Mühelos bewegt sie sich zwischen diesen künstlerischen Gattungen hin und her oder kombiniert sie mit großer Selbtsverständlichkeit und schafft es, jeder Technik ihre ganz eigene Handschrift aufzusetzen. Dazu zählt ganz besonders ihre einzigartige Bildsprache – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sprache ist für Ana Laibach eines der wichtigsten Vehikel dem Betrachter mitzuteilen, was sie beschäftigt. Sie ist eine unermüdliche Schöpferin schräger und tiefgründiger Bildtitel, wie zum Beispiel „Schießen lernen, Freunde treffen“, „Komm lass uns Krieg machen, aber nur kitzeln“ oder „Schön, dass ich nicht tot bin“. Es sind Sätze, die einem Kindermund entschlüpft sein könnten und doch sehr weise daher spazieren. Diese Titel bringen den Betrachter augenzwinkernd dazu über die Geschehnisse in unserer Welt nachzudenken. So zum Beispiel in Ana Laibachs gezeichneten Radio-Tagebüchern. Ana Laibachs morgendliche Amtshandlung besteht darin, aus einer größeren Sammlung von Stofftieren und Puppen einige von ihnen wie Zuhörer zu den Radio-Nachrichten zusammenzutrommeln und darüber eine Zeichnung anzufertigen. Jedes Gruppenarrangement ist anders – so wie die dazu ausgewählte Nachricht. So hängen da mitunter Hase, Panter, Schwein und Maus neben, auf- und beieinander und werden auf spielerische Weise zu Botschaftern des Weltgeschehens.
Am 16.9.2018 lautet die Nachricht: „Europäische Union. Wir sind ein gemeinsamer Haushalt mit Gütertrennung“. Am 23.12.2018 heißt es: „Frau Merkel sagt, wir sollen zusammenhalten.“ Oder am 22.12.2018 sieht man zwei Stoffbären zwischen einer Topfpflanze sitzen, um sie herum die Worte: „Haushaltssperre in den USA: Wer gießt die Blumen, Wer löscht das Feuer, Wer passt auf die Kinder auf, Wer füttert die Tiere, Wer heilt die Menschen, Wer unterrichtet die Schüler? Viele Fragen, weil Trump doof ist.“
Es ist ein großer Genuss und immer auch eine Überraschung, wie Ana Laibach politische und soziale Geschehnisse übersetzt, wie sie diesen mit Hilfe ihrer Figuren, denen sie wie eine Bilderbuchautorin auch Namen gibt, Leben einhaucht. Sie heißen Dr. Matten, Frau Bärbeiß, Pum, Lüm, Rosa, Schwein, Anatol. Mit ihnen steht sie jeden Morgen auf, mit ihnen hört sie Nachrichten, mit ihnen lebt sie in einem gemeinsamen Haushalt. Das erscheint auf den ersten Blick kindlich verspielt, wäre aber zu kurz gegriffen. Ana Laibach, die nicht nur an der Kunstakademie Karlsruhe bei Max Kaminski studiert hat und inzwischen selbst an der Uni Koblenz/Landau lehrt, nimmt das Leben und seine Umstände ernster, als es in ihrer Bildsprache den Anschein erweckt. Sie will aber nicht das moralische Gewissen der Welt sein und sich über die Dinge erheben, sondern nur die ein oder andere Anmerkung setzen und die ein oder andere vermeintlich naive Frage stellen, den Zuschauer nur ein kleines bisschen kitzeln, ein leises Huhu zurufen, im Sinne von „Schau mal, siehst Du das auch, was ich da sehe?“
Ohne es sich zu einfach zu machen, darf man sagen, dass was in der sehr aktuellen Serie der Radio-Tagebücher zu sehen ist, findet sich auch in Laibachs Malerei wieder: Naiv anmutende Figuren, die über Farbe, Komposition und Bildtitel zu Botschaftern werden – Vermittler zwischen Künstlerin und Betrachter. In den großformatigen Arbeiten Laibachs verdichten sich ihre Figuren aber und scheinen in den intensiven, dynamischen Farbschichten regelrecht zu baden. In ihrem Gemälde „Schreiendes Pferd“ beispielsweise, begibt sich der Betrachter gerade wegen des Titels, der Schmerz und Leid verheißt, auf die Suche nach dem betitelten Objekt und blickt doch „nur“ in ein nahezu undurchdringliches Chaos aus expressiven Formen und Farben. Das schreiende Pferd ist nicht erkennbar. Jedoch bleibt es in seiner Vorstellung sicht- oder hörbar und erkennt darin bei Betrachtung anderer Werke und Werktitel Laibachs das Pferd als Metapher für Kriege und ihre Opfer.
Konkreter wird es in Laibachs Arbeit „Diese Blume ist keine Blume“. Der Betrachter sieht ein schwarzes Ungetüm, vielleicht ein Wildschwein, das durch eine Landschaft aus rosa Blüten und grünen Blättern pflügt. Im grau-rosa Himmel finden sich herabfallende Flugzeuge, entwurzelte Bäume und Raketen. Das Rosa der Blüten schafft es, die dunkle Seite der Darstellung zurückzudrängen und dem Untergangsszenario die Dramatik zu nehmen. Und auch das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Arbeiten Ana Laibachs: Das Leben ist grausam, dabei sollte es viel lieber schön sein.
Der Nachwuchspreisträger: Amadeus Certa
Die Arbeiten des Nachwuchskünstlers sind von anderem Ausdruck. Certa setzt klassische Genres und Motive in seiner Malerei ein – darunter die figürliche Malerei und die Porträtmalerei. Letztere aber nicht um die Persönlichkeit der Dargestellten zu betonen, sondern die Wirkung der Figur im Raum zu akzentuieren. In der Ausstellung sind zwei derartige Arbeiten zu sehen: Die Porträtierten sitzen in einer Dreiviertel-Ansicht mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Stuhl und blicken am Betrachter vorbei in die Ferne. Es sind verlorene, isoliert wirkende Figuren, eingefroren in einer Momentaufnahme aus Gefühlen der Einsamkeit und Verlorenheit. Auch sein Selbstporträt strahlt Introvertiertheit und Unsicherheit aus. Diese Gefühlswelt findet sich ebenso in einem Triptychon wieder, das zwei voneinander insolierte Tier-Figuren in einer monochromen Landschaft zeigt. In der linken Ecke die Rückansicht eines Adlers vor einem Sonnenauf- oder Untergang und im Mittelteil ein weißes Reh, das seinen Kopf in die Richtung des rechten leeren Bildteils – ins Nichts – schwenkt.
Ausstellungsdauer:
27. Januar bis 22. April 2019
Wo:
PORT25
Hafenstraße 25-27
68159 Mannheim
Tel.: 0621. 33 934 397 und 0621. 33 934 398
Öffnungszeiten:
MITTWOCH – SONNTAG
11:00 – 18:00 Uhr