Die Bundesgartenschau von 1975
Ein Rückblick
bis 18.8.2019
Seit 1951 werden im zweijährigen Rhythmus Bundesgartenschauen durchgeführt und alle 10 Jahre Internationale Gartenausstellungen. Hannover war die erste Stadt, die sich 1951 mit einer BUGA schmücken durfte. Köln 1971 bzw. Hamburg 1973 waren die Vorgänger von Mannheim. Man trat also 1975 in große Fußstapfen und wenn man im Ausstellungskatalog den Beitrag „Wie die BUGA nach Mannheim kam“ liest, fühlt man sich an die aktuelle Debatte erinnert, die sich um die BUGA 2023 entfachte. Viele Unkenrufer und Mahner waren – vorsichtig ausgedrückt – doch eher skeptisch, ob sich denn der Aufwand lohnt oder ob man dann am Ende nicht doch eines Besseren belehrt wird. Die andere Fraktion sah das Positive, die Chance zur Stadtentwicklung und den prägenden Aufbruch zu einer neuen städtischen Identität und einem aufpolierten Selbstbewußtsein. Letztendlich beschied ein phänomenaler Zuspruch von über 8 Millionen Besuchern der BUGA 75 einen riesigen Erfolg.
Den Ausgangspunkt des Ausstellungsrundgangs im Marchivum bildet die „Internationale Kunst- und Große Gartenbauausstellung 1907“, die auf den Anlagen am Wasserturm, in der neugebauten Kunsthalle und der noch unbebauten Augustaanlage von 1.5.-20.10.1907 stattfand. Der Ausstellung zum 300-jährigen Stadtjubiläum war ein großer Publikumserfolg beschieden, immerhin besuchten 4,6 Millionen Menschen das Gelände in zentraler Lage. Attraktionen waren damals – neben den Gärten und Pflanzen – ein Vergnügungspark mit Wasserrutschbahn, Fesselballon und Rodelbahn, ein Sunlight-Pavillon, die Schwarzwaldanlage, Kinematographen-Theater und viele internationale kulturelle und kulinarische Anlaufstellen.
Schnell war im Vorfeld der Bundesgartenschau die Idee gereift den „Jäger aus Kurpfalz“ zum Markenbotschafter der BUGA 75 zu machen. Angeregt durch eine Porzellanfigur im Reiss-Museum, die einen Bezug zu Mannheims Blütezeit im 18. Jahrhunderts herstellte, stilisierte man den Reiter mit grüner Uniform zur Werbefigur. Dies geschah sowohl auf realer als auch auf bildlicher Ebene. Fred Reibold aus Schwetzingen wurde mittels Reit- und Musikunterricht zum „Jäger aus Kurpfalz“ und übernahm diese Rolle auch Zeit seines Lebens weiterhin. Das Werbemaskottchen wurde von niemand geringerem als Loriot gestaltet und zierte die unterschiedlichsten Werbeartikel. Die Ausstellung zeigt zwei Originaldokumente der Zeit, die Korrespondenz zwischen Klaus E.R. Lindemann und Loriot zur Entwicklung der Werbefigur „Jäger aus Kurpfalz“. Lindemann und LORIOT sind Namen, die dem LORIOT-Anhänger ja auch aus anderem Zusammenhang bekannt sind.
Plakate, Dauerkarten, Fotografien, Hostessenuniformen, eine Gondoletta und unzählige weitere quietschbunte Devotionalien der BUGA 75 schmücken den Ausstellungsrundgang, der sich um eine umfassende Informationen über und um die Bundesgartenschau 1975 bemüht. Eines der Highlights der Ausstellung ist das Modell des Aerobus und die alten Originalaufnahmen der Fahrt zwischen Luisenpark und Herzogenriedpark entlang der Kurpfalzbrücke und durch die Max-Joseph-Straße in der Neckarstadt hindurch. Der Aerobus war ein futuristisch wirkender Entwurf des Schweizers Gerhard Müller, der allerdings aufgrund der hohen Kosten im Anschluß an die BUGA 75 keine Verwendung in Mannheim oder an anderen Orten mehr fand. Einige Jahre blieb noch eine 600m lange Teststrecke erhalten, die allerdings wegen des ruhigeren Laufs nicht mit der Originalaufhängung an Seilen, sondern mit einer Aufhängung an Schienen funktionierte.
Das weltweit gefeierte architektonische Highlight der BUGA 75 war die Multihalle. Ein genialer Entwurf des Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler mit einer frei schwebenden Dachkonstruktion die Frei Otto konstruiert hatte. Ursprünglich sollte das Dach durch eine Ballonkonstruktion gehalten werden, was sich aber wegen baurechtlicher Bedenken nicht realisieren ließ. Ein Gittermodell der Multihalle krönt den letzten Ausstellungsteil und führt nochmal vor Augen welche unglaublichen Chancen der Stadtentwicklung die Bundesgartenschau 1975 bot und was daraus geworden ist. Momentan fristet die denkmalsgeschützte Multihalle ein Stiefkinddasein. Löcher im Dach und akustische Probleme haben sie zu einem Problemfall werden lassen. Was soll sie beherbergen, was soll mit ihr geschehen? Es ist immer noch Mannheims kühnstes und eindrucksvollstes Bauwerk der Moderne, trotz eines Kunsthallenneubaus in Millionenhöhe.
Die Ausstellung wird mit einem Ausblick zur Buga 2023 abgeschlossen. Noch lassen sich nicht viele moderne Aspekte und Vorhaben erkennen. Einen schönen Anschauungsunterricht erhält man derzeit in der Nachbarschaft bei der BUGA 2019 in Heilbronn, die mitten in der Stadt mit zukunftsweisenden Ideen und Projekten aufweisen kann.
Marchivum (Ochsenpferch-Bunker), Archivplatz 1, 68169 Mannheim
Di, Do-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr