bis 7.11.2021
Nach nur 14 Tagen Um- bzw. Wiederaufbauphase ist nun der zweite Teil der Ausstellung „Harte Zeiten“ im Port25 – Raum für Gegenwartskunst in Mannheim zu sehen. Die Werke aus Mannheim sind nun in der Galeria Miejska in Bydgoszcz zu sehen und anders herum. Wieder teilen sich 5 polnische und 5 deutsche Künstler die Ausstellungsfläche und nach wie vor geht es um harte Zeiten in bezug auf politische und gesellschaftliche Themen, die die beiden Länder betreffen. Allerdings wird der Blick auch auf Europa und die gesamte Welt gerichtet, Probleme machen nun mal nicht an Landesgrenzen halt.
Gewalt, verknöcherte Familienbanden, der Pflegenotstand, die Ausrichtung nach rechts in Europa, Demonstrationen, die Ästhetik des Häßlichen und des Alltags sowie Herrschaftsstrukturen sind die beherrschenden Themen dieser Ausstellung. Der europäische Schilderwald „Ode an die Freude“ von Grzegorz Pleszynski birgt auch trotz aller realpolitischen Relevanz humoristische Elemente. Mit einfachsten Mitteln eröffnen sich vielfältigste inhaltliche, strukturelle und ideologische Zusammenhänge und Abhängigkeiten. Die Vereinfachung bringt es auf den Punkt und verdeutlicht realsatirisch die Ausrichtung der einzelnen Länder. Ein Wort und ein Pfeil auf einem Verkehrsschild und es eröffnet sich ein Kosmos aus möglichen und aus realen Beziehungen. Die Bilder von Jan Jansen sind eine Bestandsaufnahme. Die ausschnitthaften Stadtansichten rücken zunächst das Monotone und Verlebte in den Vordergrund, in ihnen keimt aber auch „In froher Erwartung“ etwas positives. Ein Fünkchen Hoffnung schwingt in ihnen mit und entfaltet langsam aber sicher in diesen harten Zeiten ein Ausblick auf eine bessere Zukunft. Aber erst einmal muss das Tal durchschritten werden und das kann dauern.
Grzegorz Pleszynski, Ode an die Freude, 2020 Jan Jansen, In froher Erwartung, 2020
Viele der ausgewählten Positionen befassen sich mit politischen und gesellschaftspolitischen Themen. Alles in allem enthält der 2. Teil von Harte Zeiten kritischere Standpunkte als der erste Teil. Selbst bei den Familien-Bildern von Marta Szymielewicz verspürt man dies, wenn auch zunächst nur unterschwellig. Man sieht der dargestellten Großmutter auf den ersten Blick an, dass sie das Familienoberhaupt ist. Ihr Gesichtsausdruck ist ebenso mürrisch wie herrisch und man traut der Haustyrannin einiges zu. In der Tat hat sie ein Bild, dass ihr ihre Enkelin geschenkt hat, im hauseigenen Kachelofen eigenhändig dem Feuer übergeben. Es hat ihr halt nicht gefallen, sie hatte keine Verwendung dafür und so hat sie in pragmatischer Hartherzigkeit entschieden, sich von diesem unnötigen Ballast zu befreien. Reue? Fehlanzeige…harte Zeiten eben.
Marta Szymielewicz, Scheinbar schlecht und doch gut, 2017
In der Installation „zart-bitter II“ von Elisabeth Bereznicki, der Videoarbeit „Poland…pandemic on line“ und bei den Tonfiguren „Drei Gesten“ von Piotr Alexander Grodzki geht es um Gewalt bei Demonstrationen. Bereznicki stellt dem gemalten Kommunionsbild – einem Selbstporträt – ein Kruzifix aus Zartbitterschokolade zur Seite. Auf der Unterseite der Ablage montiert sie eine bekannte Fotografie von einer Demonstration, welche sich nur durch den Spiegel aus einer bestimmten Betrachterposition sehen lässt. Sie vermischt religiöse Initiation mit politischen Äußerungen und verleiht dem ganzen einen zartbittere Note. Grodzki stattet seine kleinen Figuren mit megalomanischen Extremitäten aus. Dabei versinnbildlichen die Gesten zusammen mit den Uniformen ausdrucksstark das dahinter stehende Thema: Gewalt und Machtanspruch. Alle Wucht, alle Wirkung entstammt den einzelnen Gesten und löst im Betrachter Erinnerungen aus. Die Gesten sind überzeitlich und sie gelten in allen Ländern und Kulturen. Die drei Figuren sind zentral im Ausstellungsraum plaziert, alles kreist um sie und das ihnen eingeschlossene Thema herum. Trotz ihrer geringen Größe sind sie der Mittelpunkt und das verbindende Element der harten Zeiten.
Elisabeth Bereznicki, zart – bitter II, 2020 Elisabeth Bereznicki, zart – bitter II, 2020 Elisabeth Bereznicki, zart – bitter II, 2020 Piotr Alexander Grodzki, Drei Gesten, 2017/18 Piotr Alexander Grodzki, Drei Gesten, 2017/18 Piotr Alexander Grodzki, Drei Gesten, 2017/18
Port25 – Raum für Gegenwartskunst, Hafenstr. 25-27, 68159 Mannheim
Mi-So 11-18 Uhr, Eintritt frei