Konzeptkunst im Jungbusch
Strümpfe – the supper artclub, bis 29.4.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, Sibylle Feucht ist Konzeptkünstlerin. Ihre Kunstwerke sind nicht selbsterklärend, ihnen ist eine tiefere Sinnebene, ein Konzept eingeschrieben. Erst diese hinterlegte Ebene verdichtet die Wandarbeiten und Fotografien und stellt einen tieferen Sinnzusammenhang her. In den Strümpfen zeigt die in Bonn lebende Künstlerin Werke aus den Serien „Interface Error“ und „SNAFU“. Ganz unterschiedlich und vielschichtig konzipiert.
Interface Error – Schnittstellenfehler
Der Begriff Interface Error stammt aus der Computersprache, er bezeichnet dort ein suboptimales Ineinandergreifen von Systemen. Der technische Begriff steht dabei in klarem Widerspruch zu den dargestellten Motiven. Die Fotografien sind Ausblicke in die Natur, auf Landschaften aber auch auf tote Tiere. Die Nordseeinsel Norderney beherbergt neben vielen Touristen auch zwischen 30.000-40.000 Kaninchen. Im 17. Jahrhundert als Jagdvergnügen für Adlige ausgesetzt, haben sie sich durch die Jahrhunderte vermehrt.
Sibylle Feucht – Interface Error/Rabbits
Die Kaninchen wurden immer mehr zur Plage, die sich schließlich auch nicht durch die zur Schädlingsbekämpfung künstlich ausgebrachten Seuche Myxomatose eindämmen ließ. Einerseits untergraben die Kaninchen die Deiche und drohen diese zum Einsturz zu bringen, andererseits ist die Insel übersät von Tierkadavern, die den Touristen auf Schritt und Tritt begleiten. Es dauert nicht lange bis man auf sie stößt. Sibylle Feucht hat sie abgelichtet, in schonungsloser Draufsicht genauso wie verwoben hängend im Dickicht. Der tote Tierleib – oft schon im Zustand der Verwesung und Skelettierung gezeigt – wird in die Bildmitte gesetzt und der Boden als Hintergrund wie ein Muster, eine abstrakte Folie genutzt. Es ist keine inszenierte Dokumentarfotografie, es ist ein Fotografieren in der Auffindesituation, eine Überhöhung des Gefundenen Kadavers als Abbild menschlicher Dekadenz und Hilflosigkeit. Es läuft aus dem Ruder, es ist eigentlich nicht mehr kontrollierbar und Sibylle Feucht schließt diese Ebene mit Hilfe einer ästhetisierenden Darstellung des eigentlich häßlich-abstoßenden Motivs ein, als mahnenden Fingerzeig und eine Art Abrechnung mit der menschlichen Anmaßung die Natur beherrschen zu wollen.
Interface Error/Narcissuses
Der Kaninchenkot sorgt dann auch dafür, dass die Samen von Vorgartenpflanzen in der freien Natur verbreitet werden. Was hier in den Fotografien gelb leuchtend in den Sanddünen blüht, sind Narzissen. Die Fotos zeigen eine Idylle, die hier so eigentlich nicht von der Natur vorgesehen ist. Es ist ein Zufallsprodukt von Menschenhand geschaffen, was in den Vorgärten angepflanzt ist, wird durch die Kaninchen in der freien Wildbahn ausgebracht und gleich auch noch gedüngt. Was im Falle der Rabbits seinen Ausgangspunkt im Morbiden, Vergänglichen und Schaurigen hat, funktioniert auch von der idyllisch-heimeligen Seite her. Die blühende Blütenpracht erweist sich bei näherem Hinsehen nicht als Oase der Verwilderung, sondern als Verwilderung der Oase.
SNAFU 1 und SNAFU 2 – das Verschmelzen von Inhalten
Die Bedeutung von SNAFU erklärt sich aus dem militärischen Slang: Situation Normal all fucked up. Das SNAFU-Prinzip umschreibt den Sachverhalt, dass Entscheidungsträger zunehmend den Bezug zur Realität verlieren, da sie von ihren Mitarbeitern nicht mit der Realität sondern mit einer eher geschönten Version konfrontiert werden. Diesen Ausgangspunkt verwendet Feucht in den aus Kunststoffperlen aufgebauten Wandarbeiten. Am Anfang steht eine Art gepixeltes Farbraster, das festlegt, welche Perlenfarbe wo aufgebracht werden muß. Danach setzt Sibylle Feucht die Perlen auf quadratischen Platten zusammen, verschmilzt sie mit einem Bügeleisen und fügt die Platten zum Gesamtbild zusammen. Es sind Fleißarbeiten, die akribisch gestaltet sind, die Motive scheinen spielerisch, fast tänzerischer Natur zu sein, dabei sind es Szenen von Kriegsschauplätzen oder Krisengebieten.
Das Motiv ist herausgelöst aus seinem Kontext, es steht für sich allein. Die Einzelfigur kann somit nicht in der Interaktion des Handlungszusammenhangs gezeigt werden und die Explosionswolke schwebt einsam im Raum. Es ist die geschönte Version nach dem SNAFU-Prinzip, der Betrachter hat den Transfer zu erbringen, dass die Ebene hinter der reinen Abbildhaftigkeit, der Faszination des Sichtbaren eine Welt der Zerstörung, des Hasses und der menschlichen Abgründe ist.
Sibylle Feucht lebt und arbeitet seit 2010 in Bonn, Gründung und Leitung des Projektraumes „Das Esszimmer – Raum für Kunst+“
Strümpfe – the supper artclub, Jungbuschstr. 3, 68159 Mannheim
Mi-Do 14-19 Uhr, Fr 20-02 Uhr
© für die Bilder: Eric Carstensen