Spuren einer Kontaktaufnahme
Schwarz-Weiss Fotografien von Michele Brancati
bis 7.7.2017
Was passiert eigentlich, wenn ein Fotograf in einer Bar wildfremde Frauen anspricht und sich mit ihnen in einem Hinterzimmer zu einem Akt-Fotoshooting verabredet? Eigentlich kaum zu glauben, dass die Erfolgsquote sehr hoch sein könnte. Der Fotokünstler Michele Brancati hat genau das getan, die Zeugnisse seiner Bemühungen stellt derzeit in einer kleinen, intimen Schau mit dem Titel „Alcova“ die Ten Gallery noch bis Anfang Juli aus.
Der in Köln lebende Brancati stammt aus Bologna, wo sich eben auch die besagte Bar befindet, in der er ein bekannter Stammgast war. Wieviel von seinem Charme, wieviel Überzeugungskraft und wieviel Vertrauensvorschuss bei dem besonderen Casting nötig waren, lässt sich nur erahnen. Die ausgestellten Fotos lassen genug Spielraum für Interpretationen, da sie auch ganz unterschiedlich ausfallen und ganz unterschiedliche Stimmungen transportieren.
Einige von ihnen sind sinnlich, andere eher anrüchig und wieder andere verschleiern das Dargestellte fast bis zum Abstrakten. Die dargestellten Frauen gehen auch ganz anders mit der Situation um, alles schwankt zwischen Selbstbewusstsein, Selbstverlorenheit und Unbeholfenheit. Es ergibt sich ein konstruiert-offenes Spannungsfeld, zwei Unbekannte treffen in einer zweideutigen Situation aufeinander. Festgelegt ist eigentlich nur, dass Fotos entstehen, alles andere ist ein offen gestalteter Ablauf.
Die schwarz-weiss Aufnahmen sind – wie die Situation, in der sie entstanden sind – unscharf, sie sind ausschnitthaft und sie fallen aus der Zeit. Gestik und Mimik bei einigen Frauen wirken wie die von Stummfilmdiven der 1920er Jahre, wie von Protagonistinnen aus expressionistischen Filmen. Tiefliegende schwarze Augen, Schattenbilder und übertrieben wirkende Gesten schaffen harte Kontraste, die Unschärfe nimmt aber die Härten und legt sich wie ein weichzeichnender Film über das Gesehene.
Brancatis Momentaufnahmen erzählen keine Geschichte, diese entsteht erst im Kopf des Betrachters. Aus fotografischen Fingerzeigen entstehen Bilder oder Stimmungen, die allein unserer Phantasie entspringen. Die Zweideutigkeit der Situation lenkt ohne Zweifel unsere Gedanken, sie lenkt sie aber nicht nur in eine Richtung. Der italienische Fotokünstler Giacomo Brunelli schreibt über die Arbeiten: „Die Arbeit von Michele Brancati enstand durch das Aufeinandertreffen von zwei Fremden, in einem privaten Umfeld. Die schwarz/weiss Bilder berühren uns durch ihre Intimität. Diese Bilder, die in einer geheimen Dimension entstanden, machen sie so mysteriös und faszinierend. Die Figuren von Michele Brancati, sind an einem irrealen Ort und machen dadurch die Figuren unerreichbar und fragil. Als würden sie nur in diesem Raum existieren und auch dort enden.“
Ten Gallery – Photobook Store – Café, T6,10 D-68161 Mannheim
Mi-Sa 11-19 Uhr