Warmes Leuchten und sinnhafte Bezüge
Die Bild- und Arbeitswelt von Michael Volkmer
Eigentlich wollten wir einen Atelierbesuch bei Michael Volkmer machen und irgendwie haben wir das ja auch. Allerdings stehen die Zeichen im Atelier auf Abschied. Nach fast genau 10 Jahren muss Volkmer sein Atelier im Alten Rathaus in Neuhofen räumen. Dort hatte er eine Bleibe gefunden, nachdem im Frühjahr 2007 sein altes Atelier abgebrannt war. Viele seiner Werke, sein kompletter Fundus an Werkideen, sein Archiv und viele private Gegenstände fielen damals einer Brandstiftung zum Opfer. Von einem auf den anderen Tag war Michael Volkmer ohne vorzeigbare Kunst. Nur ein paar angekohlte bzw. versengte Arbeiten und seine verkauften Werke blieben als Relikte dieser Phase erhalten.
Es war eine echte Zäsur im Leben und im Werk von Michael Volkmer, er hat daraufhin in den letzten 10 Jahren Neues geschaffen. Nicht das Festhalten bestimmte sein Schaffen, sondern das Loslassen und Umsetzen neuer Ideen und das Entwickeln neuer Werkgruppen. Bestimmende Werkkonstanten des letzten Jahrzehnts waren die Farbe RAL 1015, die selbst gebauten Kästen mit abgerundeten Kanten, die bewusst offene Vieldeutigkeit seiner Kunstwerke und die Transformation von Alltagsgegenständen in einen künstlerischen Kontext. Bei den Fundstücken haben es ihm besonders die Radzierblenden angetan, bei seinen Ausflügen ins Reich der Promille die Schnapsflaschen und bei den Gegenüberstellungen im sakralen Kontext sind es Kreuze und Albrecht Dürers betende Hände. Volkmer nannte es in einem Ausstellungstitel von 2010 prägnant und treffend „drink, drive and pray“.
Nun ist Michael Volkmer auf der Suche nach einem neuen Atelier, einen Lagerraum hat er in Ludwigshafen schon gefunden. Dort lassen sich aber nur Materialien lagern, die er nicht ständig braucht. Die Suche nach einem Atelier gestaltet sich aber weit schwieriger und auch langwierig. Groß und hell soll es natürlich sein, damit er vor allem auch seine großformatigen raumgreifenden Arbeiten planen, gestalten und umsetzen kann. Und es muss Platz bieten für seine Maschinen und Werkzeuge, die er sich im Lauf der Jahre angeschafft hat. Abgelegen sollte es auch sein, da sich die beiden Bereiche Wohngebiet und Lärm naturgemäß sehr unvereinbar zeigen. Eine echte und dringliche Aufgabe, deren Lösung hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Es klingt nach einer neuen Schaffensphase im Werk von Michael Volkmer und er verrät, dass die neuesten Ideen mit Blessuren zu tun haben werden. Und da es bei Volkmer ja immer offen und vieldeutig zugeht, können wir gespannt darauf sein, was er alles behandeln und verarbeiten wird. Aktuelles von ihm kann man derzeit im „Port25 – Raum für Gegenwartskunst“ im Jungbusch, bei der „Kunstgalerie Theuer+Scherr“ am Wasserturm und im „Atelier Andreas Zidek“ in den Quadraten sehen. Es ist ein echter Querschnitt durch das Werk von Volkmer, angefangen von kleinen, gerahmten Bildern bis hin zur 2,2 Meter im Durchmesser umfassenden Rosette, die durch Kunstlicht hinterleuchtet ihre scheinbar sakrale Wirkung in ruhiger Dominanz ausstrahlt.
Im Port25 in der Hafenstrasse ist er beteiligt an der Gruppenausstellung „100<1000“, bei der Künstler, die zuvor schon dort ausgestellt haben, nun kleine Werkgruppen präsentieren und die einzelnen Arbeiten jeweils zwischen 100 und 1000 Euro kosten. Zum einen zeigt Michael Volkmer eine Serie von Fundstücken, die er zu sakralen Motiven umformt oder in ihrer profanen Schlichtheit symbolisch überhöht. Da werden Verpackungen und Rahmenspanner zu Kreuzen oder Wunderbäume durch goldfarbene Lackierungen aufgewertet. Alles versprüht eine für Volkmer typische schlichte Eleganz und der Wunderbaum im übrigen immer noch seinen alten eigenwilligen Geruch. Außerdem zeigt er im Port25 noch Leuchtkästen, die für Volkmer ungewohnt unregelmäßig gearbeitete, längsrechteckige Ausschnitte haben. Die unregelmäßige Form wirkt – im Gegensatz zu den akkuraten Ausschnitten seiner sonstigen Kästen – fast auch schon wie ein Blessur. Mit farbigem, satinierten Plexiglas versehen und mit LED-Licht hinterleuchtet, verbindet Volkmer hier Altes mit Neuem. Die Kästen gab es schon, es sind in der Tat Stücke aus seinem Materialfundus, das buntfarbige Plexiglas verwendet er aber zum ersten mal.
In der Mannheimer „Kunstgalerie Theuer+Scherr“ hängt noch bis Anfang Januar eine seiner großen Rosetten. Dass diese ihre Wirkung im sakralen Raum eindrücklich entfalten, hat Volkmer schon oft vor Augen geführt. Nun lässt sich ihre Ausstrahlung auch schon aus der Ferne bewundern, durch die große Schaufensterscheibe der Kunstgalerie leuchtet sie vor allem im Dunkeln weithin sichtbar. Das Licht fällt inszeniert durch die Verstrebungen der Radzierblenden. Sowohl der eigens gebaute runde Kasten als auch die einzelnen Blenden sind einheitlich mit Farbe überzogen und verwandeln den Leuchtkörper in ein gotisch wirkendes, Licht ausstrahlendes Kunstobjekt von faszinierender Wirkung. Es ist wie eine Essenz von Volkmers Schaffen der letzten Jahre und jede einzelne Radzierblende fügt sich dem Ensemble so natürlich ein, als ob sie eigens dafür geschaffen worden wäre.
Die Serie „ala“ wird in einem Nebenraum vom „Atelier Andreas Zidek“ in G7,12 dauerhaft präsentiert. Volkmer nimmt hierbei Bezug auf bekannte Künstler und vergrößert deren Werk mit einer eigenen Adaption. Ganz im Sinne „Volkmer meets…“ schafft er Arbeiten, die sich sofort zuordnen lassen, egal ob es sich um Carl Spitzweg, Jasper Johns, Günter Uecker, Lucio Fontana oder Kasimir Malewitsch handelt. Die Symbiose verbindet die typischen Gestaltungsprinzipien und Motive international renommierter Künstler mit denen von Michael Volkmer. Beide Seiten geben gleich viel rein und beide Seiten profitieren von dieser Verschmelzung. Natürlich gestaltet Volkmer diese mit wenigen Ausnahmen in Kastenform und veredelt diese dann mit RAL 1015 hellelfenbeinweiß.
Neun Leuchtkästen mit Radzierblenden sind derzeit noch unter dem Titel „Holy“ in Freiburg im Showroom des Kunstmagazins artline zu sehen. Das nächste Ausstellungsprojekt findet dann Anfang 2018 in Marburg in einer Kirche statt. Volkmers Ausstellungstitel „Intruder“ legt nahe, dass er einen Eindringling im sakralen Raum schaffen wird. Ungelenk im Wege stehend wird er nur von höherer Stelle genau zu erkunden sein. Später im Jahr nimmt Volkmer dann noch in einem Linzer Kloster an einer Gruppenausstellung teil. Auch hier wird er den sakralen Raum nutzen und seine Werke integrieren: sanft, gekonnt und subtil. Es sind eben doch oft die leisen Töne, die überzeugen.