bis 8.3.2020
Eine beeindruckende Ausstellung zeigt das Museum Frieder Burda in Baden-Baden noch bis Anfang März 2020. Mit weit mehr als 100 Bildern bietet die Schau einen faszinierenden Blick auf das malerische Werk von Karin Kneffel. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das zusammen mit der Kunsthalle Bremen konzipiert und umgesetzt wurde. Auf zwei Stockwerken werden die Ölbilder vorzüglich präsentiert, die Räume des Museum Frieder Burda scheinen wie gemacht für diese Auswahl. Einfühlsam kuratiert mit Bildern aus dem Besitz der Künstlerin und mit vielen Leihgaben aus privaten Sammlungen und aus Museumsbesitz ergänzt, zeichnet die Ausstellung ein umfassendes Bild zum Schaffen Karin Kneffels. Die ehemalige Meisterschülerin von Gerhard Richter unterrichtet inzwischen seit fast zwanzig Jahren selbst Malerei an den Kunstakademien in Bremen und aktuell in München.
„Ich möchte, dass Räume und Zeiten, Gegenwart und Vergangenheit in meinen Bildern verschmelzen. Was ist Realität, was Fikton, wo fängt die Bildwirklichkeit an?“ (Karin Kneffel)
Die Fragestellung im Zitat trifft es auf den Punkt, in den Werken von Karin Kneffel vermischen und verbinden sich zeitlich und inhaltlich getrennte Aspekte. Sie schafft eine realistisch wirkende Scheinwelt, die durch detailgetreue Nachahmung und die gezielte Setzung von Spiegelungen und Lichtreflexen eine besondere Dynamik erhält. In den teils riesigen Formaten ihrer Ölbilder erweist sich Karin Kneffel als Meisterin der mimetischen Abbildung und der Erfindung einer malerisch-konzipierten, gleichsam schaubühnenhaften gestalteten Lebens-, Erinnerungs- und Erfahrungswelt.
Bekannt wurde Karin Kneffel vor allem durch ihre überlebensgroßen Stillleben der 90er Jahre. Detailgenau und augentäuscherisch malt sie die Oberflächen der Früchte, so dass man geradezu nach ihnen greifen möchte. Nur die schiere Größe der Früchte hält einen davon ab, es auch zu tun. Die dargestellten Äpfel, Pfirsiche oder Trauben leuchten aus sich selbst heraus und die Setzung der Lichtreflexe sowie die Malweise der Oberflächentextur sind von außergewöhnlicher haptischer Qualität. Es ist gemalte Materialität bis hin zum fotorealistischen Trompe-l’oiel-Effekt, sei es die raue Oberfläche eines Pfirsichs oder aber die spiegelnden Schlieren von verlaufenden Wassertropfen. Die faszinierende Detailtreue erstreckt sich auf alle Teile des Bildes, was zur Folge hat, dass alles gleichberechtigt und gleich wichtig ist. Hervorgehoben wird alles, das bunte Muster eines Sesselbezugs und der spiegelnde Bodenbelag werden so nicht nur zur Bühne für einen Dalmatiner, sondern alles verbindet sich in einer ausschnitthaften, sehr persönlich wirkenden Nahsicht. Durch die eigenwillige Wahl der Perspektive wird der subjektive Erlebnis- und Erinnerungsraum von Karin Kneffel nachvollziehbar und eben auch erfahrbar für den Betrachter.
In ihren neueren Arbeiten erarbeitet sich Karin Kneffel Räume oder genauer gesagt inszenierte Erinnerungsorte. Oft blickt man wie durch eine Glasscheibe auf diese Räume: Tropfen, Schlieren oder Abdrücke sind vorgelagert und schaffen eine Distanz zum Dargestellten. Die Menschen in diesen Bildern wirken eher wie Statisten, sie sind keine wirklichen Akteure, sondern sie bevölkern den Raum wie eine Staffage. Ist es Realität, Schein oder Erinnerung, was wir sehen? Einiges verblasst, verschwimmt oder ist verwischt gemalt und findet dann doch zusammen. Es sind gemalte Übergänge und Zusammenhänge, eine Verbindung von Altem und Neuem, von Realität und Fiktion, von Aktuellem und Erinnertem. Die inhaltlichen und zeitlichen Bildebenen sind so verschachtelt und verwoben, dass Kneffel an einzelnen Bildern mit Hilfe des Computers Monate an der Konzeption und Komposition arbeitet. Sie integriert in ihre Bilder immer wieder ganz konkrete, kunsthistorische Zitate aus verschiedenen Jahrhunderten, so finden sich z.B. Teile des Bildes „Las Meninas“ von Diego Velazquez aus dem 17. Jahrhundert in einem ihrer Gemälde, wobei sich die historischen Figuren mit den zeitgenössischen Protagonisten in einem Ausstellungsraum des Madrider Prado zu befinden scheinen. Ähnlich verfährt Kneffel auch mit Plastiken von Wilhelm Lehmbruck und Ernst Ludwig Kirchner oder mit Bildern ihres Lehrers Gerhard Richter.
Durch die Betonung des Vordergrundes mittels Wassertropfen, Schlieren oder gemalten Pinselstrichen wird die Komplexität des Raumes und der Ereignisse bzw. Erinnerungen vor Augen geführt. Die verwischten Bildteile können sowohl für das Verblassen einer Erinnerung als auch für Bewegung und Veränderung stehen. Es finden auch eigenwillige Perspektivwechsel statt, im linken Teil des Bildes ist eine Außenansicht eines Hauses mit Blick durch eine Terrassentür zu sehen, die dann im rechten Teil des Bildes scheinbar übergangslos in eine Innenansicht eines Zimmers mit langen Vorhängen und Stehlampe übergeht. Alles scheint sich aus Erinnerungen, die Standbildern aus Träumen gleichen, aus Erlebten und Realem zusammenzufügen. Die Ölbilder von Karin Kneffel sind kein Abbild einer realen Situation oder Person, sie sind eher ein Stillleben menschlicher Lebens- und Erinnerungsorte.
Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr