5. Ernst Franz Vogelmann Preis für Skulptur
bis 1.11.2020
Die Konzept-Künstlerin Ayse Erkmen erhält dieses Jahr den Ernst Franz Vogelmann Preis für Skulptur. Der Preis wird alle drei Jahre ausgelobt und Erkmen reiht sich nahtlos in die prominente Preisträgerschaft ein: Roman Signer (2008), Franz Erhard Walter (2011), Thomas Schütte (2014) und Richard Deacon (2017). „Eins, zwei, drei“ ist der Ausstellungstitel der retrospektiv angelegten Schau, die in der Kunsthalle Vogelmann präsentiert wird. Die orts- und raumbezogenen Arbeiten von Erkmen waren immer auch schon in wichtigen Ausstellungen vertreten, wie etwa bei SkulpturProjekte Münster 1997 und 2017 oder aber 2011 auf der Biennale in Venedig, wo Erkmen den türkischen Pavillon bespielte. Seit 1993, als sie sich auf Einladung des DAAD zum ersten mal in Deutschland aufhielt, war sie immer wieder Gast in Deutschland und hatte auch Professuren für Bildhauerei inne an der Städelschule in Frankfurt und an der Kunstakademie Münster.
Der Ausstellungsbesucher muss beim Betreten der Ausstellung zunächst durch einen Metalldetektor laufen. Der türartige Durchgang Portiport, den man von Sicherheitskontrollen an Flughäfen kennt, piepst bei jedem Metallgegenstand, den man bei sich trägt. Er steht für den symbolischen Eingang zur Kunst und dient als sichtbares Zeichen des Übergangs vom Eingangs- in den Ausstellungsbereich. Eindrucksvoll untermalt er dies akustisch, da er jeden Besucher piepsend daran erinnert. Not the color it is sind Bronzeskulpturen, die mittels aufgemalten Farbpigmenten patiniert sind. Erkmen formt in öligem Sand mit Spateln und Schaufeln Hohlräume, die dann im Sandgussverfahren mit Bronze ausgegossen werden. Die Technik der farbigen Patinierung beherrscht nur eine Gießerei in Deutschland. Der Farbton entsteht mittels aufgetragener Pigmentmenge, Säure- und Laugenbäder und der Temperatur beim Einbrennen, er ist somit nicht exakt wiederholbar. Ansichten der farbigen Bäder laufen im Nebenraum als Loop in der Videoinstallation ACID und ganz nebenbei, fast unbemerkt, bewegt sich dabei 6’52“ im Raum. Eine Wand des Ausstellungsraumes fährt langsam vor und zurück. Die Verkleinerung und Vergrößerung des Raumes ist zwar sehr schwer wahrnehmbar, löst beim Betrachter aber – wenn er es denn bemerkt – die entsprechenden Gefühle aus. Dafür lädt dann Comfortable zur Erholung ein, die Bank ist aus Schaumstoff gestaltet und regt aber nur scheinbar zum Sitzen an.
Die eigens konzipierte Typografie Lazy Dog besteht nur aus Sonderzeichen. Diese fügen sich zu Buchstaben und Zahlen zusammen. Die Schriftzeichen erstrecken sich über die gesamte Wandgröße und sind im Zusammenhang nur schwer zu entziffern. Das lässt dann aber auch Spielraum für eigene Erkundungen im Wimmelbild aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Die Imitating Lines sind ein anschauliches Beispiel für eine raumbezogene Arbeit. Die grün lackierten Teile bilden einzelne architektonische Elemente ab, sie umspielen Rundungen, fahren Treppenstufen nach oder verdeutlichen die geometrischen Formen und Aspekte von Raumsituationen oder Versorgungsleitungen. Sie sind – und daher befinden sie sich in guter Nachbarschaft – wie raumbezogene Schriftzeichen, die jedes für sich stehen aber hier in der Ausstellung als Raumalphabet zusammengefasst stehen. Der Wuschel ist ein Arbeit, die Erkmen in verschiedenen Ausführungen über die Jahre immer wieder anwendet. In der Heilbronner Ausstellung quillt er aus einer Öffnung in der Decke, die grünen Textilbänder sind tausendfach mit dem Namen der Künstlerin bedruckt. Es ist eine Absage an den nach Profit strebenden Kunstbetrieb, dessen name-dropping und Fokussierung auf Affekte Erkmen selbstironisch inszeniert. Die mantraförmige Wiederholung des eigenen Namens macht diesen in letzter Instanz unwichtig, da er sich wie ein beliebiges Wort in nichtssagender Bedeutungslosigkeit verliert.
„Ich denke, das Kunstwerk sollte keine Antworten geben. Es sollte keine einfache Antwort auf etwas sein, sollte die Antwort auf seine Frage nicht kennen oder nicht zeigen. Letztlich soll die Arbeit keine Antwort auf die von ihr aufgeworfene Frage geben.“ Ayse Erkmen
Im letzten Raum der Ausstellung finden sich ebenfalls Bezüge zu früheren Arbeiten. Die Lichtinstallation Das Haus wurde zum ersten Mal 1993 gezeigt, als Erkmen ihren ersten Aufenthalt in Deutschland hatte, es ist ein Teil einer Trilogie. Das Beleuchtungssystem des Ausstellungsraumes wird dabei zum eigentlichen Kunstwerk, die Neonröhren werden neu angeordnet und lassen den Raum im ursprünglichen Sinne in einem anderen Licht erscheinen. Auch Kuckuck/Fox ist schon in mehreren Ausstellungen zu sehen gewesen. Das Tierpräparat schleicht sich, durch eine Zeitschaltuhr gesteuert, langsam und geräuschlos an. So langsam, dass man ständig damit rechnet, dass etwas passiert. Was aber vor allem geschieht, ist eine Verbindung beider Kunstwerke. Der Kuckuck/Fox hat sein Jagdrevier im Ausstellungsraum, der wiederum durch die Anordnung der Lichtröhren zur Installation Das Haus wird. Eine Verbindung, die von Erkmen symbiotisch angelegt ist und von ihr als idealtypisch angesehen wird: als raum- und ortsbezogene Kunst.
Kunsthalle Vogelmann Heilbronn, Allee 28, 74072 Heilbronn
Di-So 11-17 Uhr, Do 11-19 Uhr