Staubfrei – Analoge Fotografie, Port25 Mannheim – Raum für Gegenwartskunst

Steffen Diemer, Frank Göldner, Markus Kaesler, Inessa Siebert, Daniel Stier

bis 20.7.2025

Die analoge Fotografie wird derzeit im „Port25 – Raum für Gegenwartskunst“ in einer Ausstellung gefeiert. Fünf unterschiedliche Positionen, fünf sehr unterschiedliche Künstler und fünf sehr unterschiedliche fotografische Techniken lassen den Betrachter eintauchen in eine längst vergessen geglaubte Welt der staub- und pixelfreien Ablichtung. Zeit ist dabei ein entscheidender Faktor: so langsam und konzeptuell die Bilder geplant und technisch realisiert wurden, so geduldig sollte der Betrachter seinem Nachspüren und Empfinden Raum und Zeit geben, um die Fotografien entsprechend würdigen zu können.


Groß und bunt sind die Fotografien von Daniel Stier, auf Textiltapeten gedruckt werden sie formatfüllend an der Ausstellungswand präsentiert. Stier lässt eine quietschbunte Warenwelt entstehen, die aus einem britischen Ein-Euro-Laden entstammt. Die eigentlich billigen Produkte überhöht er in seinen Bildern, ihre Größe und ihre Komposition reißen sie aus ihrer ursprünglichen Bestimmung eines Konsumprodukts heraus. Was zunächst wie Werbefotografie aussieht, wird durch die ins Megalomane übersteigerte Darstellung überzeichnet. Das Format ist eigentlich das eines Werbeplakats, die Wirkung ist aber eine andere. Bunte Farbflächen stoßen aneinander, die klar komponierte und dabei oft eigenwillig erscheinende Präsentation und die professionelle Ausleuchtung verfehlen nicht die erwünschte Wirkung: der Alltagsgegenstand wird zum Kunstwerk erhoben, das billige Konsumprodukt zur aufgesockelten Plastik und somit zur Karikatur seiner selbst.


Über die Serie „dust to dust“ von Frank Göldner haben wir bereits an anderer Stelle geschrieben (http://www.kunstblog-mannheim.de/?s=göldner)


Altes Barytpapier ist die Grundlage der Arbeiten von Inessa Siebert. Das Papier hat sie von einem Fotografen erhalten, der es selbst schon über Jahrzehnte eingelagert hatte. Das Verfallsdatum ist längst abgelaufen, die Qualität des Papiers aber immer noch von allerhöchster Güte. Ihre Aufnahmen belichtet sie direkt auf dieses Papier, eine Mehrfachbelichtung durch Gläser, Vasen oder Prismen hindurch. Ihre arrangierten Stillleben aus Gräsern, Pflanzen und Glasobjekten sind dabei vor dem Barytpapier inszeniert, „still leben“ lautet der Titel dieser Serie.
Wie lange sie belichten muss, ist ein Erfahrungswert und so entstehen Aufnahmen von strahlender Tiefe und leuchtender oder durchleuchteter Vielschichtigkeit. Einige Objekte bleiben erkennbar, aber vieles verschwimmt schlierenhaft vor einem dunklen Hintergrund. Die Aufnahmen wirken oft wie dynamisiert und bewegt, aber auch wie ein zufälliges Festhalten von ephemeren Strukturen. Sie durchzieht ein Spiel aus Licht und Schatten, aus Tiefe und Fläche, doch irgendwie verschließen sie sich einer festen Körperlichkeit. Sie wirken vergänglich, wie Traumbilder scheinen sie aus einer tieferen Ebene zu uns herauf und doch erkennt und erfasst man nicht alle Details.
Die kleineren Formate sind Ausschnitte aus größeren Arbeiten, Siebert ist ihr altes Barytpapier heilig. Sie verwirft nichts, die weniger gelungenen großen Arbeiten enthalten oft Spuren, die es zu erhalten gilt. Und so schaffen es kleinere, handverlesene Ausschnitte doch noch auf eine größere Bühne und werden in den Stand eines Kunstwerks erhoben. Auch kleine Träume dürfen eben geträumt werden.


Zeitaufwendig ist das Verfahren, das den Arbeiten von Steffen Diemer zugrunde liegt. Er arbeitet mit dem Nassplatten Kollodium Verfahren und durch die Inszenierung von Einzelobjekten auf einem neutralen, dunklen Hintergrund erscheinen die Arbeiten wie aus der Zeit gefallen. Es ist eines der ältesten fotografischen Verfahren, bei dem direkt auf Glasplatten belichtet wird. Es entsteht immer ein Unikat, das Negativ und Positiv in einem ist. Zum Positiv wird es durch den dunklen Hintergrund, der das dargestellte Motiv erst sichtbar werden lässt. Viel Erfahrung ist nötig, ein wohltemperierter Umgang mit Chemikalien und ein Gespür für recht lange Belichtungszeiten, sonst bleibt es bei dem Versuch einer Aufnahme.
Im Laufe eines Jahres schafft er gerade mal etwa 150 Werke, was im Zeitalter der digitalen Fotografie eine verschwindend geringe Anzahl an Arbeiten darstellt. Seine Motive sind Sinnbilder der Vergänglichkeit, er verwendet dabei klassische Vanitas-Motive wie Pflanzen, Obst und Totenköpfe, aber auch durchaus subtilere wie zum Beispiel den hier ausgestellten Spielzeugrevolver, der von einem Kind aus einem Kriegsgebiet stammt. Kein Bildraum, kein Beiwerk lenkt vom Wirken der Motive ab, zentral positioniert stehen sie für sich selbst und ihre Mahnung an das Flüchtige und Vergängliche.


Das bildhafte Endergebnis seiner Fotografien ist für Markus Kaesler zweitrangig. Hinter seinen Arbeiten steht immer ein klares Konzept, ein Plan, der sich in seinen Arbeiten nachvollziehen lässt. Das sichtbare Endergebnis ist aufgeladen mit validen Zahlen, mit gesicherten Fakten und einem daraus resultierenden Bedeutungsgehalt.
Es sind nicht nur herbstliche Blätter, die er für seine Arbeit „shadows of the past“ gesammelt hat, es sind Blätter von Bäumen aus der Allee, die vor Ort an der Vernichtungsanstalt Grafeneck standen und immer noch dort stehen. Die Anzahl der Blätter richtet sich nach der Anzahl der Opfer und die Größe des einfassenden Stahlrahmens der Arbeit an der Größe der Duschkabine, die jedem Opfer zum Verhängnis wurde. Es ist ein Aufladen der Arbeiten mit Bedeutung, alles hat seinen Sinn, hinter dem Werk steht ein klarer Plan, der von Kaesler dann akribisch umgesetzt wird. Er nähert sich dabei seinem Werk von einer sicheren Seite, von Fakten ausgehend lässt er welke und später gebleichte Blätter für die Opfer stehen und pfercht sie in unzähligen Schichten angehäuft auf einer klar umrissenen Fläche übereinander. Das Werk ist zweiteilig angelegt, ein Kontaktabzug direkt auf Papier zeigt nochmal eine andere Ebene der Wahrnehmung und verdeutlicht die dunkle und schreckliche Seite der Bildgeschichte.
Auch in seiner Arbeit „gefangene Zeit“ spielen Zahlen eine Rolle. 100 Fotografien stehen für 100 Gefängniszellen und die Belichtungszeit seiner selbst gebauten Lochbildkameras von 127 Tagen entspricht der durchschnittlichen Verweildauer der Häftlinge in der Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Die Fläche der einzelnen Aufnahmen entspricht dabei der Fläche eines Zellenfensters, aus Glasbausteinen bestehend schimmert das Licht nur vage durch, gleichzeitig ließ es aber auch keinen Blick nach außen zu. Das verwendete Fotopapier stammt von ORWO, einer alten ostdeutschen Marke. Mit Abstand betrachtet wirken die einzelnen Aufnahmen fast identisch, aus der Nähe offenbaren sie unterschiedliche Blickwinkel und fast persönlich wirkende Sichtweisen auf das jeweils eigene Zellenfenster zur Außenwelt. Kaeslers Aufnahmen sind wie ein Faktencheck, was sich vor Ort an Primärdaten findet, wird eingesetzt oder schwingt im Werk vorder- bzw. hintergründig mit.

www.port25-mannheim.de

Port25 – Raum für Gegenwartskunst, Hafenstraße. 25-27, 68159 Mannheim
Mi-So 11-18 Uhr, Der Eintritt ist frei

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