Mannheim ABSTRAKT, Mannheimer Kunstverein

bis 1.6.2025

Einen umfassenden Überblick über die Mannheimer Künstlerszene, die seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ungegenständlich gearbeitet haben oder dies immer noch tun, gibt die Ausstellung „MannheimABSTRAKT“. 30 KünstlerInnen stellen im Mannheimer Kunstverein aus, wobei Werke aus den Gattungen Gemälde, Arbeiten auf Papier, Objektkunst, Plastik und Skulptur gezeigt werden. Leihgaben aus Privatbesitz, des Kulturamtes und von den Mannheimer Künstlernachlässen runden den Blick auf das abstrakte Mannheim ab. Die Ausstellung nähert sich von verschiedenen Seiten der ungegenständlichen und konkreten Kunst und lässt über die Jahrzehnte hinweg ein umfang- und facettenreiches Bild der Künstlerszene der Quadratestadt entstehen. Ausgehend von Franz Schömbs und Rudi Baerwind geht die Entwicklungslinie bis hin zu jüngeren, zeitgenössischen KünstlerInnen wie Kathleen Knauer, Jordan Madlon oder Katinka Eichhorn.

Rudi Baerwind hatte während seiner Aufenthalte in Paris die neuesten avantgardistischen Strömungen der Malerei Frankreichs kennen- und schätzengelernt. Zunächst setzt er sein Kunststudium bei Fernand Leger fort, später lässt er sich dann von der École de Paris und der informellen Malerei inspirieren. Er pendelt in den 50er Jahren zwischen Paris und Mannheim und gilt als einer der Pioniere der ungegenständlichen Malerei für Mannheim. Baerwind taucht dabei nie ganz in die Abstraktion ein, er findet immer wieder Mischformen zwischen gegenständlicher und ungegenständlicher Malerei. Franz Schömbs hatte schon in den 20er und 30er Jahren begonnen künstlerische Studien zu Farbe und Bewegung zu inszenieren, ein Film im Foyer des Kunstvereins zeigt, wie weit Schömbs seiner Zeit und seinen Zeitgenossen voraus war. Gattungsübergreifend entwickelt er in Malerei, Filmen, theoretischen Schriften und Musik seine Untersuchungen zur Wahrnehmungsphysiologie, wobei er sich zeitlebens als Maler verstand. Nach dem 2. Weltkrieg war er Mitbegründer der Künstlergruppe „Mannheimer Quadrat“, der unter anderem auch Rudi Baerwind, Paul Berger-Bergner, Gustav Seitz und Waldemar Epple angehörten.

Die Ausstellung im Mannheimer Kunstverein bietet einen Rundumblick, sie vernetzt sowohl über die Jahrzehnte hinweg und verbindet Künstlerpersönlichkeiten miteinander, zudem verdeutlicht sie Entwicklungslinien in unterschiedlichen Gattungen. Das „Neue“ sollte in der Nachkriegszeit unverfänglich, autonom und unbelastet sein, keine tradierten Strömungen oder akademischen Vorbilder sollten den Blick trüben. Farben und Farbfelder, organische und geometrische Formen, Linien und Konstrukte sowie Bewegungen und Überlagerungen standen im Vordergrund. Nicht der lesbare ikonographisch über Jahrhunderte entwickelte Bedeutungsgehalt war prägend, sondern das Freie, das Fühlbare, das Assoziativ-erfahrbare stand im Fokus der neuen Entwicklung. Das konnte aus einem gestischen Pinselstrich entstehen, aus gegeneinander gesetzten Flächen, aus kalkulierten Konstrukten oder geometrisch aufgebauten Gebilden, nur eben nicht aus dem reinen Abbilden der Wirklichkeit. Das Gegenständliche schwingt manchmal noch mit, diese Anklänge sind in einigen Werken noch leise zu spüren, aber es sind eben nur Anklänge, nur spielerische Ansätze, die in den ungegenständlichen Werken tiefere Schichten ansprechen und mitklingen lassen.

Eindrucksvoll lässt sich das in den Werken von Kathleen Knauer sehen. Ihre gestisch geprägte Malerei wird im Laufe der Jahre zunehmend klarer und strukturierter. Ihre frühen Arbeiten waren noch durch Überlagerungen und teils geschüttete Farbverläufe flächendeckend dynamisiert und räumlich geschichtet angelegt. Das über- und hintereinander und die grelle Farbigkeit werden danach zunehmend vereinfacht und beruhigt. Das Gestische tritt in den Vordergrund, der Hintergrund wirkt wie eine Folie, wie ein beruhigender Gegensatz. Dadurch scheint die Komposition eher experimentell angelegt, die Bewegung des Gestischen findet vor der Ruhe der Hintergrundfolie statt. Inzwischen stellt Knauer ihre Farben selbst her, die nötigen Pigmente extrahiert sie aus Pflanzen und mischt damit farbige Tinten an. In der Arbeit „Mannheim“ trägt sie die Tinten auf Käseleinen in kleinen runden Strickrahmen auf. Die einzelnen Pflanzen stammen aus Mannheimer Stadtteilen, die Anordnung der Strickrahmen ist daher nicht willkürlich gewählt, sondern anhand des Stadtplans und der darauf gekennzeichneten Stadtteile klar nachvollziehbar. Das flüchtige Verblassen der Farben ist ein einkalkulierter, gewünschter Nebeneffekt, spiegelt es doch das Vergängliche der Pflanzen abstrahierend wider. Das Suchen und Finden, das Werden und Vergehen, die klaren Strukturen und der gestisch angelegte Farbauftrag sind die Eckpunkte der ungegenständlichen Kunst Knauers und sie steht damit mit beiden Beinen fest in der Entwicklungslinie der Mannheimer Abstraktion.

www.mannheimer-kunstverein.de

Mannheimer Kunstverein, Augustaanlage 58, 68165 Mannheim
Di-So 12-17 Uhr, Mi 14-19 Uhr

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